Reiten, aber mit Holzpferd: Der eigenartige Sport, der in Finnland begeistert

Nach den in der Enzyklopädie des Weltsports veröffentlichten Zahlen werden weltweit etwa 8.000 verschiedene Sportarten ausgeübt. Musste man da noch mehr erfinden? Natürlich. Oder zumindest glauben das die Finnen. Wir erklären, warum.

Die Nachricht begann mit einem Artikel im Wall Street Journal, in dem von einer Sportart berichtet wird, die den meisten bizarr erscheinen mag, die aber in dem skandinavischen Land einen beispiellosen Erfolg zu haben scheint: die Rede ist vom Steckenpferd (oder Hobby-Horsing).

Das Steckenpferd ist in der Praxis eine Art Reitsport, allerdings mit einem grundlegenden Unterschied: Das Pferd, das bei dieser Sportart verwendet wird ist nicht aus Fleisch und Blut, sondern aus Holz und hat einen Stock, wie die Spielzeuge, die früher verwendet wurden.

Aber lassen Sie sich nicht von der verwendeten Ausrüstung täuschen: Steckenpferd ist ein echter organisierter Sport, zu dem auch Meisterschaften gehören, insbesondere Dressur- und Springwettbewerbe.

Ganz einfach: stellen Sie sich eine Dressurprüfung vor, bei der sich Reiter und Pferd in bestimmten geometrischen Figuren bewegen, oder eine Springprüfung, ersetzen Sie das echte Pferd durch ein Holzpferd und schon haben Sie eine Vorstellung von einem möglichen Steckenpferdwettbewerb.

Um sich mit anderen Sportlern messen zu können, veranstaltet Finnland jährlich eine Meisterschaft, die Annual Hobbyhorse Championships. Die letzte fand in der Stadt Seinäjoki statt.

Foto: Twitter, @Rainmaker1973

Die Finnen sind verrückt danach, und der Sport ist besonders bei jungen Leuten beliebt. Das Wall Street Journal spricht in seinem Artikel von Tausenden von Fans dieser neuen Pferdesportart, andere Medien nennen eine genauere Zahl und sprechen von mehr als 10.000 Sportlern.

FOTO: Keppihevosharrastaja, CC BY-SA 4.0 <https://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0>, über Wikimedia Commons

Die Popularität dieses Sports ist auch der Regisseurin Selma Vilhunen (im Bild) nicht entgangen, die 2013 für ihren Kurzfilm 'Do I Have to Take Care of Everything?' für einen Oscar nominiert wurde.

Der von der finnischen Regisseurin gedrehte Dokumentarfilm über diesen ausgefallenen Sport trägt den Titel 'Hobbyhorse Revolution' und erzählt die Geschichte von drei Mädchen, die Steckenpferd trainieren: Mariam Njie, Elsa Salo und Alisa Aarniomäki.

FOTO: Instagram @hobbyhorserevolution_swe

Die drei Protagonistinnen betonen vor allem eines: Es gibt keinen Grund für Ironie. Die Ausübung des Steckenpferdreitens ist sicherlich nicht die einfachste und erfordert, wie diejenigen, die es praktizieren, berichten, ein hohes Maß an Koordination.

FOTO: Von Rigtan – Eigenes Werk, CC BY-SA 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=57423840

Die jungen Finninnen betonen die Notwendigkeit eines größeren Respekts für diesen Sport, der oft Gegenstand zweifelhafter Witze ist.

FOTO: Dagur Brynjólfsson aus Hafnarfjördur, Island, CC BY-SA 2.0 <https://creativecommons.org/licenses/by-sa/2.0>, über Wikimedia Commons

Die Opfer von Vorurteilen sind hauptsächlich Kinder und Jugendliche, die von Gleichaltrigen gemobbt werden. Alisa Aariomaki, Inhaberin des Meistertitels von 2022, spricht darüber, wie Repubblica berichtet: "Es gibt viele Vorurteile: viele Leute denken, dass dies die dümmste Sache der Welt ist, aber wir lassen uns nicht entmutigen: wir wissen, wie viel Spaß das Steckenpferdreiten macht und werden nicht aufgeben."

Anhänger der Steckenpferde werben mit einer Kampagne auf Instagram für mehr Sensibilität gegenüber den Athleten dieses Sports, und zwar unter dem Hashtag #kepparitkunniaan, der auf Deutsch mit "Respekt vor dem Steckenpferd" übersetzt werden könnte.

Foto: Instagram #kepparitkunniaan

Diejenigen, die ihn ausüben, versichern, dass dieser Sport einen neuen Ansatzpunkt für den Respekt vor den Tieren darstellt und eine Alternative für diejenigen sein kann, die sich das teure traditionelle Reiten auf lebenden Pferden nicht leisten können.

Man muss bedenken, dass die Kosten für ein Steckenpferd bei 50 € aufwärts liegen, während der Unterhalt eines echten Pferdes im Durchschnitt etwa 450 € pro Monat kostet, ein Betrag, den sich nur wenige Familien junger Sportler leisten können.

Wer das Steckenpferdreiten für eine Modeerscheinung hält, irrt. In Finnland ist es eine echte Subkultur, die inzwischen fest im Land verwurzelt ist. Diejenigen, die diese Disziplin ausüben, haben eine Gemeinschaft geschaffen, in der es weder an Bewegung, noch an emotionaler Unterstützung oder an Kreativität mangelt - drei grundlegende Elemente eines jeden Sports, finden Sie nicht auch?

(Im Bild: Prinz William scheint auch ein Fan zu sein.)

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