Die Deutschen und ihr Kegeln - Steht der Volkssport um die "Alle Neune!" vor dem Aus?
Zumindest in ländlichen Gebieten findet man sie noch in vielen traditionellen Gasthäusern: die Kegelbahn. Das Kegeln war in Deutschland quasi ein Volkssport, jedoch geht die Begeisterung für die Präzisionssportart immer mehr zurück. Wie steht es um eine der ehemaligen Lieblingssportarten der Deutschen?
Das Kegeln hat sich als Sportart über mehrere Jahrhunderte hinweg in ganz Europa aus volkstümlichen Spielen entwickelt. Zunächst wurde es im Freien gespielt, in Deutschland bis ins 18. Jahrhundert. Kegeln wurde damals vor allem als Volksvergnügen gesehen und oft mit Glücksspiel kombiniert.
Im 19. Jahrhhundert wurden Kegelgemeinschaften gegründet, mit denen Bedürftige unterstützt werden sollten. Aus diesen Gemeinschaften entwickelte sich das Sportkegeln, woraufhin im Jahr 1885 der "Zentralverband deutscher Kegelclubs" gegründet wurde - der Vorläufer des heutigen "Deutsche Kegler- und Bowlingbund (DKB)".
Während das Kegeln in den 1980er und 1990er Jahren noch äußerst beliebt war - sogar bei Prominenten wie David Hasselhoff (siehe Foto) - gehen die Mitgliederzahlen beim DKB ebenso wie die Anzahl der Sport-, Freizeit- und Gaststätten-Kegelbahnen, die sich noch in Betrieb befinden, heute rasant zurück.
Zu Beginn des Jahres 2022 hatte der DKB nur noch circa 62.300 Mitglieder. Der durchschnittliche Rückgang der Mitgliederzahlen beträgt 5 %, von 2021 auf 2022 war er mit 9 % sogar deutlich höher.
Michael Hohlfeld, Sprecher des DKB, sagt laut der Frankfurter Neuen Presse (FNP), dass die Corona-Pandemie den Rückgang beschleunigt habe, da viele Gaststätten den Betrieb der Kegelbahnen wegen mangelnder Kundschaft aufgaben.
"Jede Kegelbahn, die wir verlieren, ist ein schmerzlicher Verlust", so Hohlfeld. Genaue Zahlen über den Betrieb und die Schließung von Kegelbahnen hat der DKB nicht.
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Eine ungefähre Vorstellung über das Ausmaß gibt allerdings ein Blick auf die Anlage des Kegelsportvereins Wetzlar (KSV): Von den 88 Hobbyklubs existieren heute nur noch 18. Laut Jochen Janson, Präsident des Hessischen Kegler- und Bowling-Verbandes, ist dies "schon eine sehr deutliche Entwicklung", so die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ).
Die Corona-Pandemie hat den Rückgang der Kegler-Zahlen beschleunigt, die ursächlichen Gründe sind jedoch andere.
Rainer Hartmann, Freizeitforscher an der Hochschule Bremen, macht laut der FNP ein verändertes Freizeitverhalten für den Rückgang der Kegler-Begeisterung verantwortlich. Er beschreibt dieses als "Cocooning".
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"Das bedeutet, dass Freizeitaktivitäten sich mehr ins Private und nach Hause verlagern, weil auch der Medienkonsum gestiegen ist", so Hartmann. Das trifft nicht nur das Kegeln als Sportart, sondern auch die traditionellen Gaststätten, die von der Verbindung aus Kegeln und Verkauf von Speisen und Getränken gelebt haben.
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Hartmann sagt hierzu: "Die Gastronomieformen, die hip sind und wo die Anzahl der Betriebe wächst, sind zum Beispiel moderne Cafés und Bars. Aber da finde ich keine Kegelbahnen."
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Eine Ursache dafür, dass das Kegeln heute nicht mehr im Trend ist, sieht Hartmann darin, dass eine Weiterentwicklung "verschlafen" wurde: "Man muss sagen, dass da viel verschlafen wurde bei der Weiterentwicklung von Räumlichkeiten, aber auch der Vermarktung."
Anders sieht es hingegen beim Bowling, dem US-amerikanischen Verwandten des Kegeln aus: "Ich habe das Gefühl, dass Bowling beliebter war, weil es einfach moderner erschien. Das hatte was von American Lifestyle, der da so ein bisschen mitschwingt. Es lief Musik und es gab eine Bar", so Hartmann laut der FNP.
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Auch eine mögliche mediale Aufbereitung sieht Hartmann als sinnvoll an, um das Kegeln weg von seinem Ruf als "Kneipenvergnügen" und hin zu einer populären Sportart zu bringen - ähnlich wie beim Dart: "Darts ist ja im Prinzip erst mal nicht spannender. Sportkegeln in modernen Hallen könnte man medial ja super aufbereiten," so Hartmann.
Allerdings hat das Kegeln noch eine Chancen durch den aktuellen Retro-Trend: Polaroid-Kameras, Schallplatten, 80er Jahre Mode - vielleicht erfährt nun auch das Kegeln seine Renaissance.
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Denn dem DKB mangelt es vor allem an jungen Mitgliedern: "jedes fünfte Mitglied ist 65 Jahre oder älter", so die FNP. Ein Blick auf Berlin zeigt allerdings, dass Kegeln dort scheinbar bereits auf den Retro-Trend aufspringen konnte.
Der Tagesspiegel schreibt: "Kegeln als neuer Berliner Volkssport hingegen ist dieser Tage sehr gefragt." Sichtbar werde dies demnach an der Nachfrage in den Gasthäusern mit Kegelbahnen, bei denen man für das eigene Kegelspiel weit im Voraus reservieren muss.
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Zumindest als Freizeitsport im Städtischen scheint das Kegeln also wieder beliebter zu werden. Es bleibt demnach abzuwarten, was die Zukunft für den ehemaligen Volkssport der Deutschen bringen wird.