Ein Halbes Jahrhundert Jan Ullrich: Tiefe Einblicke in eine Rivalität
Am 2. Dezember 2023 wurde der deutsche Radrennfahrer Jan Ullrich 50 Jahre alt. Aus diesem Anlass wurde am 28. November ein Dokumentarfilm auf Amazon Prime veröffentlicht, in dem er auf den Abstieg in die Hölle nach seinem Rücktritt zurückblickt.
In einem Interview mit dem 'Stern' sprach der größte Rivale von Lance Armstrong über die Dopingjahre des Radsports, aber auch über seine Abhängigkeiten und den großen Druck, der in diesem Sport herrscht.
Jan Ullrich erklärt, dass ihm schon bei seinem Einstieg in den Profisport klar gewesen sei, dass er dopen musste: "Ohne nachzuhelfen, so war das damals die weitverbreitete Wahrnehmung, wäre das so, als würdest du nur mit einem Messer bewaffnet zu einer Schießerei gehen Wenn du dabei bleiben wolltest, musstest du mitmachen."
Anlässlich dieses Dokumentarfilms, der auf Amazon Prime veröffentlicht wird, werfen wir einen Blick auf die Karriere des gefallenen Champions des modernen Radsports: Jan Ullrich.
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Fast ein Jahrzehnt lang dominierte Lance Armstrong bei der Tour de France und überholte die Konkurrenz - na ja, fast. Ein Fahrer schaffte es, dem Amerikaner auf den schwierigsten Steigungen der Großen Schleife zu folgen. Sein Name: Jan Ullrich.
Als Sieger der Tour de France 1997 war Jan Ullrich der erste und bis heute einzige Deutsche, der die Große Schleife gewann. In den Jahren 2000, 2001 und 2003 wurde er jeweils Zweiter, immer hinter dem Amerikaner.
Obwohl er von vielen Experten als einer der talentiertesten Fahrer der Geschichte angesehen wird, war Jan Ullrichs Karriere von zahlreichen Skandalen geprägt und endete tragisch - in einer Entzugsklinik.
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Mangelnde Professionalität, Nonchalance, Doping... Der Weg des Deutschen war holprig. Hier ist ein Rückblick auf die Karriere eines Radrennfahrers mit außergewöhnlichem Potenzial.
Jan Ullrich wurde am 2. Dezember 1973 in Rostock geboren und begann im Alter von 10 Jahren mit dem Radsport. Im Jahr 1987 machte er eine elitäre Ausbildung für zukünftige DDR-Athleten an der Kinder- und Jugendsportschule des SC Dynamo Berlin teil.
1988 gewann er die DDR-Juniorenmeisterschaften im Straßenradfahren, aber seine Schule wurde 1989 geschlossen, als die Berliner Mauer fiel. Er schloss sich der RG Hamburg an.
Schon bald zeigte er außergewöhnliche Fähigkeiten und wurde 1993 im Alter von 20 Jahren Amateurweltmeister in Oslo. Das Team Telekom erfuhr von dem jungen Talent und nahm Jan unter Vertrag. Er schaffte ein Wunder und bekam Bronze im Zeitfahren bei den UCI-Straßen-Weltmeisterschaften 1994.
Der Radsportler zeigt trotz seines jungen Alters eine große Reife und außergewöhnliche Qualitäten. Nach einem 10. Platz bei der Tour de Suisse 1995 willigte sein Manager Walter Godefroot ein, ihn im Alter von 23 Jahren bei der Tour de France 1996 fahren zu lassen.
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Eine ausgezeichnete Entscheidung, denn bei seiner ersten Tour übertraf Ullrich Miguel Indurain im Zeitfahren und wurde Zweiter in der Gesamtwertung hinter seinem Teamkollegen Bjarne Riis. Er zeigte sein außergewöhnliches Potenzial mit Qualitäten, die man auf der Zeitfahrstrecke noch nie gesehen hatte.
Im folgenden Jahr dominierte der Deutsche die Tour, indem er seine Gegner (insbesondere Richard Virenque) in den Bergen und im Zeitfahren übertraf. Er beeindruckte die Beobachter so sehr, dass er mit Eddy Merckx, Bernard Hinault oder Fausto Coppi verglichen wurde.
Er gewann die Tour de France mit mehr als neun Minuten Vorsprung auf Virenque und 14 Minuten auf Marco Pantani. Er schien unantastbar und die Welt dachte nun, dass ein Ullrich-Zeitalter angebrochen war. Mit nur 23 Jahren war der Deutsche ganz oben.
Während der Vorsaison der Tour de France 1998 lernt die Öffentlichkeit jedoch eine andere Seite des Radprofis kennen: einen Mann, dem es an Professionalität mangelte. Er kam mit einem deutlichen Übergewicht zu den Rennen und beunruhigte nicht nur die Presse.
Doch trotz dieser mittelmäßigen körperlichen Verfassung gewann er das Zeitfahren und übernahm vor den Alpen das Gelbe Trikot. Der Weg schien ihm weit offen zu stehen, zumal die Festina-Affäre Virenque ins Abseits gedrängt hatte. Jan Ullrich schien unaufhaltsam.
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Doch dann brach der Deutsche auf der 15. Etappe zusammen und verlor mehr als acht Minuten auf das Gelbe Trikot von Marco Pantani. Auch wenn Jan Ullrich diese Tour mit drei Etappensiegen, darunter zwei Zeitfahren, beendete, zeigt er auch das Bild eines Rennfahrers, der seine Vorbereitung aus Übermut vernachlässigt hat. Er wurde zum zweiten Mal bei der Tour Zweiter.
Im Jahr 1999 fing sich der Sportler wieder und gewann die Vuelta a España und die Weltmeisterschaft im Zeitfahren. Er war in dieser Disziplin unantastbar, kam aber in mittelmäßiger Form zur Tour de France 2000, wobei seine Vorbereitung erneut nur durchschnittlich war.
Diese Tour de France war das erste Duell zwischen Jan Ullrich und Lance Armstrong, das (natürlich) der Amerikaner gewann, der es sich sogar erlaubte, den Deutschen beim Zeitrennen zu schlagen. Der Telekom-Fahrer war wieder einmal Zweiter - zum dritten Mal.
2001 kam Jan Ullrich zum ersten Mal in Topform zur Tour. Der Deutsche hatte ein starkes Team um sich und schien in der Lage zu sein, Armstrong zu schlagen, aber der Amerikaner war besser. Ullrich belegt den zweiten Platz - zum vierten Mal.
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Nach einer Verletzung am rechten Knie in diesem Jahr erlebte Jan Ullrich eine katastrophale Saison. Er wurde im Juni positiv auf Amphetamine getestet, wobei er außerdem den Konsum von Ecstasy zugab. Er verließ daraufhin sein Team Telekom und wechselte 2003 zum Team Coast.
2003 stieg Jan Ullrich wie Phönix aus der Asche auf. Trotz der finanziellen Probleme des Team Coast, das nun Team Bianchi hieß, trat er bei der Tour mit mäßigen Ambitionen gegen den fünffachen Toursieger an. Dennoch brachte er den Amerikaner wegen der Hitzewelle in große Schwierigkeiten. Nach einem großen Kampf und einem Sturz im Zeitfahren belegte Ullrich schließlich den zweiten Platz, eine Minute hinter Lance Armstrong.
2004 unterschrieb er beim Team T-Mobile, dem Nachfolger der Telekom, fuhr aber eine schlechte Tour de France und belegte den vierten Platz - sein schlechtestes Ergebnis.
2005 war er erneut bei der Tour, stürzte jedoch kurz vor dem Start. In diesem Jahr war seine Erfahrung bei der Grande Boucle von seinen zahlreichen Stürzen geprägt, die ihn daran hinderten, mit Lance Armstrong zu konkurrieren. Jan Ullrich wurde hinter Ivan Basso Dritter und erreichte zum siebten Mal das Treppchen.
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Im Jahr 2006 kam er als großer Favorit zum Rennen, da Lance Armstrong nach seinem Sieg bei der Tour de Suisse nicht anwesend war. Allerdings wurde Jan mit dem Dopingskandal um Dr. Fuentes (Puerto) in Verbindung gebracht und wegen Dopings gesperrt.
Dr. Fuentes soll ein auf Protease basierendes Produkt verabreicht haben, das alle Spuren von EPO verschwinden lassen sollte. Jan Ullrich wurde daraufhin aus dem Team T-Mobile ausgeschlossen und beendete 2007 seine Karriere.
Am 19. Mai 2014 verursacht Ullrich in alkoholisiertem Zustand einen schweren Verkehrsunfall in der Schweiz. Nach ersten Erkenntnissen fuhr er mit 143 km/h, also mehr als 60 km/h über der erlaubten Geschwindigkeit von 80 km/h, was nach Schweizer Recht mindestens ein Jahr Haft bedeutet. Am 14. September 2017 wurde er zu 21 Monaten Haft auf Bewährung und einer Geldstrafe von 10.000 Schweizer Franken verurteilt.
Am 3. August 2018 wurde Jan Ullrich auf Mallorca verhaftet, nachdem er sich gewaltsam Zutritt zum Haus seines Nachbarn und Landsmanns, des Schauspielers und Regisseurs Til Schweiger, verschafft und einen Streit provoziert hatte. Eine Woche später griff er eine Dame für spezielle Dienstleistungen an und wurde in eine psychiatrische Klinik eingewiesen.
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Lance Armstrong besuchte ihn und Jan Ullrich begann schließlich einen Entzug. Ein schreckliches Karriereende für einen so talentierten Radrennfahrers.
Am 21. November 2023 sprach Jan Ullrich anlässlich der Doku über seinen 50. Geburtstag. Er erzählte von der Geißel des Dopings und seinen Abstieg in die Hölle.
Der Ex-Radprofi schilderte seinen Umgang mit Drogen und Alkohol: "Es holt all die bösen Eigenschaften in dir hoch. Es macht dich innerhalb kürzester Zeit zum Monster."
Er begründete auch, warum er damals nicht an die Öffentlichkeit ging: "Ich wollte kein Verräter sein. Ich wollte auch nicht mit Halbwahrheiten raus und schon gar nicht mit der ganzen Wahrheit. Da hingen Existenzen dran, Familien, Freunde. Die Anwälte haben mir gesagt: Entweder du gehst raus und reißt alles ein, oder du sagst gar nichts." Im Nachhinein ist er jedoch davon überzeugt, dass es besser gewesen wäre, alles zu erzählen: "Es wäre für einen kurzen Moment sehr hart geworden, aber danach wäre das Leben leichter gewesen."