Oleg Deripaska bricht mit der Parteilinie und kritisiert den Ukraine-Krieg
Der russische Aluminium-Oligarch Oleg Deripaska erklärte vor wenigen Tagen, dass aus dem Einmarsch Moskaus in die Ukraine kein Gewinner hervorgehen werde, da der ökonomische Verlust für Russland sehr hoch sei.
Mit seinen Äußerungen gegenüber Reportern in Moskau stellte einer der reichsten Männer Russlands die Gründe des Kremls für den Angriff auf die Ukraine öffentlich in Frage, obwohl er darauf achtete, Präsident Wladimir Putin nicht direkt zu kritisieren.
Laut 'Spiegel' bezeichnete der Gründer des Großkonzerns Rusal das Vorgehen Russlands als "kolossalen Fehler". Außerdem sprach er während seiner Ausführungen von 'Krieg', ein Wort, das von russischen Behörden verboten wurde und strafrechtliche Folgen nach sich ziehen kann.
Deripaska kritisierte auch die russische Reaktion auf die erlassenen Sanktionen des Westens aufgrund des Ukrainekriegs. Im Interview sagte er: “Die russischen Behörden haben 120 Tage nach Beginn des Konflikts immer noch keine notwendigen Entscheidungen getroffen”, um die Auswirkungen dieser Sanktionen auf die russische Wirtschaft abzumildern.
Eine so direkte und deutliche Kritik an der russischen Politik ist für einen der einflussreichsten Geschäftsmänner enorm ungewöhnlich.
Deripaska geht laut Reuters davon aus, dass es in naher Zukunft kein Potenzial für einen Regimewechsel in Russland gibt, denn ein Großteil der Opposition befindet sich im Exil oder in Haft.
Den Lieblingsoligarchen Putins treffen die Sanktionen der USA und der EU hart. Laut Forbes beträgt sein Vermögen im Jahr 2022 1,7 Milliarden Dollar. Zum Vergleich: 2021 waren es noch 3,8 Milliarden Dollar.
(Bild: Deripaskas Villa in Sizilien, Italien)
Auch Diplomatenkreise sind laut Tagesschau über Deripaskas Statement verwundert, da er als Großaktionär von GAZ, einem russischen Rüstungskonzern, vom Ukrainekrieg profitiert. Militärexperte Gustav Gressel bezeichnete GAZ als Rückgrat der russischen Armee, denn das Unternehmen liefert sowohl Radschützenpanzer als auch gepanzerte Geländewagen.
Oleg Wladimirowitsch Deripaska (geboren am 2. Januar 1968 in Dserschinsk, Oblast Gorki, Sowjetunion) ist Gründer und Eigentümer von Basic Element, einer der größten russischen Industriegruppen. Bis 2017 war er Präsident der En+ Gruppe und Gründer und Miteigentümer des russischen Aluminiumherstellers Rusal.
Deripaska gehört zu einer Gruppe von Geschäftsleuten, die als Oligarchen bekannt sind. Sie kontrollieren große Teile der Wirtschaft, vor allem in den Bereichen Energie und Rohstoffe, und konnten ihr Vermögen unter der Bedingung erhalten, dass sie sich aus der Politik heraushalten bzw. mit der Regierung sympathisieren.
Experten galt Deripaska als einer der wenigen verbliebenen Oligarchen aus der Jelzin-Ära mit großem Misstrauen gegenüber Präsident Wladimir Putin und seiner Regierung. So wurde erwartet, dass die Regierung Rusal früher oder später verstaatlichen würde.
Nach Einschätzung von Janis Kluge von der Stiftung Wissenschaft und Politik vom März 2022 sei Deripaska jedoch ein „integraler Bestandteil des Systems Putin“. Er habe den russischen Staatskapitalismus gestützt und von ihm profitiert.
Deripaska selbst hat in der Vergangenheit eine besondere Nähe zu Putin immer abgestritten. Untersuchungen auf internationaler Ebene im Verlauf der letzten Jahre lassen jedoch das Gegenteil annehmen.
(Bild: KIRILL KUDRYAVTSEV/AFP via Getty Images)
Bei Sanktionen gegen russische Oligarchen verschont die EU Oleg Deripaska weitgehend. Nach Informationen von 'Kontraste' und der 'ZEIT' stand Oleg Deripaska wegen seiner einflussreichen Position Anfang des Jahres auf dem Entwurf der Sanktionsliste.
Doch der Name des russischen Oligarchen wurde aus dem finalem Papier gelöscht. Von wem ist unklar und die Außenminister der teilnehmenden Ländern wollten sich dazu nicht äußern.
(Bild: Deripaska (r) mit russischen Vertretern bei den Montblanc White Nights Festival 2021)
Deripaska hat auch in mehreren EU-Länder investiert. Beispielsweise war er mit einer Holing-Gesellschaft an fast 75% der Strabag, einem österreichischen Baudienstleister, beteiligt. Außerdem investierte er Forbes zufolge rund 30 Millionen Dollar im Urlaubsort Lech am Arlberg und besitzt dort auch ein Luxushotel.
(Bild: Fabrikbesichtigung mit dem damaligen Präsidenten Dmitry Medvedev)
Aktuell hält Deripaska knapp 28 % der Strabag. Vor wenigen Wochen hat der Baukonzern laut dem österreichischen 'Standard' seine Zahlungsmodalitäten für Dividenden geändert. Darüber hinaus wurde seiner Holding Rasperia das Stimmrecht entzogen. Dagegen hat Oleg Deripaskas Unternehmen nun Anfechtungsklage eingereicht.
(Foto: NATALIA KOLESNIKOVA/AFP via Getty Images)
Auch The Guardian bezeichnet Deripaska als „Putins Liebling mit starken Verbindungen in die britische Politik“. So lud er den damaligen Wirtschaftsminister Peter Mandelson und weitere britische Spitzenpolitiker auf seine Yacht Queen K (im Bild) ein um über Parteispenden außerhalb der gesetzlichen Regelungen zu sprechen. Ebenso soll er zu Donald Trump ein freundschaftliches Verhältnis gehabt haben.
Bereits 2018 wurde Deripaska von den USA sanktioniert. Damals stand der Aluminiumhersteller Rusal im Mittelpunkt. Der Börsenwert des Unternehmens sank um 60 Prozent und die Aluminiumpreise stiegen auf 2500 Dollar pro Tonne.
Von 2001 bis 2017 war Oleg Deripaska mit Polina Jumaschewa, Tochter von Walentin Jumaschew, dem Schwiegersohn von Boris Jelzin und Stabschef des Präsidialamts der russischen Präsidialverwaltung unter Jelzin sowie späteren Berater von Präsident Wladimir Putin, verheiratet. Das Paar hat einen Sohn. Deripaska lebt überwiegend in Moskau.
(Bild: Boris Jelzin (rechts) bei der Amtseinführung Putins (links))
Oligarchen sind eine wichtige Stütze für Putins Macht. Doch der Unmut unter den russischen Superreichen wächst, da die Sanktionen sich direkt auf ihr Privatleben auswirkt. So wurden bereits zahlreiche Villen und Yachten, die sich im Ausland befinden, beschlagnahmt und die Kinder können nicht mehr ins Ausland reisen oder dort studieren. Auch importierte Luxusprodukte sind nicht mehr wie gewohnt verfügbar.
(Bild: Kriegsgegner besetzten Deripaska Villa in London 2022)
Vom Schützenverein zur Waffenlobby: Die Geschichte der 'National Rifle Association'