Finnland: das schwierige Gleichgewicht zwischen Russland und dem Westen
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Nicht nur die Ukraine
"Der Beitritt Finnlands zur NATO wird schwerwiegende militärische und politische Auswirkungen haben“, erklärte Maria Zakharova, Sprecherin des Außenministeriums der Russischen Föderation, Ende Februar.
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Neutralität
Zakharova betonte, wie wichtig es sei, die Neutralität gegenüber militärischer Bündnisse beizubehalten. "Es ist ein wichtiger Faktor, der zur Stabilität und Sicherheit Nordeuropas und Europas insgesamt beiträgt“, argumentierte sie und wies darauf hin, dass Finnland seit Jahrhunderten ein von Russland umkämpftes Gebiet ist.
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Annäherung an die NATO
Nach der russischen Invasion in der Ukraine erklärte die finnische Premierministerin Sanna Marin, dass sich die Neutralität ihres Landes gegenüber der NATO „im Begriff befindet, sich zu ändern“. Das kam im Kreml nicht gut an.
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Die Geschichte der beiden Länder
Was ist die Geschichte hinter dieser Entscheidung? Warum äußert sich Russland so lautstark zum Verhalten dieses nordischen Landes?
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Das Großherzogtum
Von 1100 bis 1809 gehörte das Gebiet, das heute Finnland umfasst, zu Schweden. Nach den Napoleonischen Kriegen wechselte es als Großherzogtum Finnland zu Russland.
Im Bild: Die lutherische Kathedrale von Helsinki mit einer Statue von Zar Alexander II. von Russland davor.
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Der Untergang des Imperiums
Es blieb bis 1917 unter der Herrschaft der Zaren. Dann wurde es, wie auch mehrere andere Gebiete des Reiches, inmitten der Russischen Revolution unabhängig.
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1917: Finnische Unabhängigkeit
Finnland wurde also erst 1917 ein unabhängiges Land. Damit endete die gemeinsame Geschichte dieser beiden Ländern jedoch noch nicht.
Im Bild: Die finnische Unabhängigkeitserklärung auf dem Senatsplatz von Helsinki.
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1917–1918: Revolution und Unabhängigkeit
Nach der Trennung von Russland im Jahr 1917, befand sich Finnland in einem blutigen Bürgerkrieg zwischen den Weißen (unterstützt von der Regierung und den Deutschen) und den Roten (Sympathisanten der Bolschewiki und von der Sowjetunion unterstützt). Die Feindseligkeiten endeten im Mai 1918 mit einem Sieg der Weißen.
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1939–1940: Der Winterkrieg
Die Beziehung zwischen den beiden Nationen endete jedoch auch nicht 1918. Russland griff das Land 1939 im sogenannten Winterkrieg an. Finnland konnte die Invasion abwehren, musste aber einen Teil seines Territoriums an die Sowjetunion abtreten.
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1941 und 1944: Kämpfe im 2. Weltkrieg
Dann kam der Zweite Weltkrieg. Finnland griff 1941, gemeinsam mit Nazideutschland, die Sowjetunion an und eroberte die im Winterkrieg verlorenen Gebiete zurück.
Im Bild: Adolf Hitler und Carl Gustaf Emil Mannerheim, Führer der finnischen Streitkräfte während des 2. Weltkriegs.
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Der Große Vaterländische Krieg
Die URSS, unter der Führung von Joseph Stalin, schlug erfolgreich zurück und zwang Finnland einen Vertrag zu unterzeichnen.
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Der Preis der Unabhängigkeit
Der Preis, den Finnland zahlen musste, um nach dem Zweiten Weltkrieg aus dem sowjetisch beeinflussten Ostblock herauszukommen, bestand darin, einen Teil seines Territoriums an Russland abzutreten und zu versprechen, ein neutrales, unabhängiges Land zu bleiben.
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1948: Finnisch-sowjetischer Vertrag
Finnland und die URSS unterzeichneten 1948 das Abkommen über Freundschaft, Zusammenarbeit und gegenseitige Unterstützung. Dieses garantiert, dass Finnland eine liberale Demokratie bleiben wird, solange es seine Neutralität gegenüber der Sowjetunion bewahrt. Die Hauptklausel des Vertrags sah vor, dass man sich nicht gegen den anderen militärisch verbünden durfte.
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Zwischen zwei Giganten
Um sein Überleben zu sichern, hielt sich Finnland während des Kalten Krieges sowohl von der Sowjetunion als auch von den Westmächten fern. Seine Beziehungen zu Westeuropa waren sehr zurückhaltend.
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Weder dies noch das
Finnland bemühte sich um ausgewogene Beziehungen zu beiden Seiten während des Kalten Krieges und schloss parallel Wirtschaftsabkommen mit dem Ostblock und den Westmächten ab. Dadurch konnte Finnland seine eigene neutrale Haltung in Wirtschaftsfragen sicherstellen.
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1960er: EFTA und EWG
In den 1960er Jahren wird die Europäische Freihandelsassoziation (EFTA) von mehreren Ländern gegründet, die es vorziehen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft nicht beizutreten. Für Finnland kam, aufgrund des sowjetischen Widerstands, weder ein Beitritt zur EFTA noch zur EWG in Frage.
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1980er: Beitritt zur EFTA
Finnland öffnete sich jedoch 1986 dem Westen und trat der EFTA bei, wobei es eine neutrale Haltung einnahm.
Im Bild: Der finnische Präsident Mauno Koivisto 1986 mit seiner Frau.
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1992: Europäischer Wirtschaftsraum
Die sechs Mitglieder der EFTA, darunter Finnland, unterzeichneten 1992 ein Abkommen mit der damaligen EWG (jetzt Europäische Union) zur Gründung des Europäischen Wirtschaftsraums.
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Die vier Freiheiten
Damit werden die "vier Freiheiten“ des europäischen Binnenmarktes garantiert: Die Freizügigkeit von Waren, Dienstleistungen, Kapital und Personen. Finnland behielt jedoch seine politische Neutralität.
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1992: Neue Zeiten, neue Vereinbarungen
1989 fiel die Berliner Mauer, und kurz darauf folgte der Zusammenbruch der Sowjetunion. Finnland überarbeitet den finno-sowjetischen Vertrag von 1948 und ersetzt ihn 1992 durch ein neues Abkommen.
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1992: Europäische Wirtschaftsgemeinschaft
Nach dem Vorbild des benachbarten Schweden und anderer neutraler EFTA-Staaten beantragte Finnland 1992 die Mitgliedschaft in der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft.
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Die militärische Blockfreiheitsfrage
Zu diesem Zeitpunkt definiert Finnland seine "Neutralität“ neu in "militärische Blockfreiheit“. Als blockfreies Land kann Finnland militärisch mit anderen Nationen zusammenarbeiten, schließt sich aber in Fragen der gegenseitigen Verteidigung aus.
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Die EWG war nicht überzeugt
Die EWG war besorgt, dass neutrale Länder das Projekt einer gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) schwächen könnten, und prüfte lange Zeit Finnlands Beitrittsgesuch.
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Ein Gleichgewicht finden
Finnland erklärte gegenüber der EWG (später EU) seine Bereitschaft zur Umsetzung der GASP und versicherte gleichzeitig im eigenen Land, dass es möglich sei, diese Politik umzusetzen und gleichzeitig seine militärische Blockfreiheit beizubehalten.
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1995: Finnland tritt der EU bei
Das Land wird 1995 Mitglied der Europäischen Union. Zusammen mit Schweden schlägt es vor, die Petersburger Aufgaben der militärischen Abrüstung und Friedenssicherung in den Vertrag von Amsterdam aufzunehmen, die Grundlage der gemeinsamen Sicherheitspolitik der EU.
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Eine Abwehrhaltung
Diese Initiative war auch ein Weg, um den möglichen Zusammenschluss zwischen der Westeuropäischen Union und der Europäischen Union zu verhindern. Den hatten viele EU-Mitglieder vorgeschlagen während blockfreie Mitglieder versucht haben ihn zu vermeiden.
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1999: Die Idee einer EU-Armee
Während der ersten Amtszeit Finnlands als Vorsitzender des Rates der Europäischen Union wurde die Gründung einer gemeinsamen EU-Armee, bekannt als Helsinki Headline Goal, diskutiert.
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Vorbehalte
Finnland steuerte 2.000 Mann bei, allerdings mit einigen Einschränkungen: Sie durften nur zur Krisenbewältigung eingesetzt werden und vorzugsweise für zivile und nicht militärische Zwecke.
Im Bild: Finnische Soldaten als Teil einer friedenserhaltenden UN-Mission im Libanon im Jahr 2001.
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Die gemeinsame Russland Strategie der EU
Für Finnland ist die Beziehung zwischen Russland und der Europäischen Union von grundlegender Bedeutung. Aus diesem Grund spielte es eine aktive Rolle bei der Ausarbeitung der gemeinsamen EU-Strategie hinsichtlich Russlands. Es unterstützt die Rolle der NATO in Nordeuropa, stimmt aber einer Ausweitung des Bündnisses auf die baltischen Staaten nicht zu.
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Dezember 2003: Änderungen in der Sicherheitsrichtlinie
Finnland hat zusammen mit Österreich, Irland und Schweden Änderungen an der EU-Sicherheitspolitik vorgeschlagen, die von der Ratspräsidentschaft abgelehnt werden. Es wird eine Verpflichtung eingegangen, unterschiedliche politische Positionen in Bezug auf Sicherheit zu berücksichtigen, wodurch Finnland innerhalb der EU neutral bleiben kann.
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Eine flexible Bündnisfreiheit
Die Blockfreiheit Finnlands war so flexibel, dass sie für die europäische Politik kein Problem darstellte.
Im Bild: Die finnische Präsidentin Tarja Halonen mit dem Generalsekretär der Vereinten Nationen, Kofi Annan.
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EU-Verteidigung: Das Weißbuch und die NATO
Experten gingen davon aus, dass sich die Situation im Jahr 2003 ändern würde. Die Veröffentlichung von 'EU Defence: The White Book' im Jahr 2004 behält Finnlands neutralen Status bei, aber es hebt die Notwendigkeit einer gemeinsamen EU-Politik hervor und weist auf die Möglichkeit eines NATO-Beitritts hin.
Im Bild: NATO-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen mit der finnischen Präsidentin Tarja Halonen.
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Von 2004 bis heute
Die aktuelle geopolitische Situation rund um den Globus nach der russischen Invasion in der Ukraine entwickelt sich weiter. Die Chance, dass Finnland Teil der NATO wird, erscheint heute wahrscheinlicher als noch vor einigen Jahrzehnten.
Im Bild: NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg mit dem finnischen Präsidenten Sauli Niinistö.
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Eine Herausforderung für Sanna Marin
Nicht lange nach der russischen Invasion twitterte die finnische Regierungschefin, dass sie "die Militäraktion Russlands in der Ukraine scharf verurteilt“ und dass der Angriff "ein schwerer Verstoß gegen das Völkerrecht sei und das Leben zahlreicher Zivilisten bedrohe“.
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Von der Neutralität zur Blockfreiheit, und dann zur NATO?
Finnland hat sich stets zur internationalen Neutralität verpflichtet, um seine eigene Souveränität und territoriale Integrität zu schützen. Wird die Unterstützung der Ukraine zu einer engeren Bindung an die NATO führen?