Der Gaspreis explodiert, der Euro fällt - und die Wirtschaft leidet
Der Gaspreis steuert auf ein neues Rekordhoch zu. Am Montag den 5. September wurde der europäische Gaspreis mit 272 Euro pro Megawattstunde notiert. Ein Preisanstieg um rund 30% im Vergleich zum Freitag!
Der russische Staatskonzern Gazprom hat seine Gaslieferung über Nord Stream 1 wieder gestoppt. Das hat den Gaspreis nach oben schießen lassen. Der angebliche Grund ist wieder ein technischer Defekt an einer Turbine.
Siemens Energy, Hersteller der vermeintlich defekten Turbine, teilte jedoch mit, dass die Servicetechniker einsatzbereit und für Gazprom immer erreichbar seien. Es gebe aber keinen konkreten Reparaturauftrag von Gazprom. Eine nach Angaben von Siemens Energy reparierte und einsatzbereite Turbine für Nord Stream 1 (im Bild) steht zudem weiter in Mülheim an der Ruhr und wartet auf den Transport. So die Bild.
"Putins Russland ist vertragsbrüchig geworden", so kommentierte Bundeskanzler Olaf Scholz die Situation. Aber Scholz betonte, dass Deutschland vorbereitet sei: „Wir werden durch diesen Winter kommen.“
Tatsache ist, dass die deutschen Gasspeicher aktuell zu rund 85 Prozent gefüllt sind. Das teilte das Bundeswirtschaftsministerium am Sonntag auf Twitter mit. Im vergangenen Jahr hatte der Stand zu diesem Zeitpunkt des Jahres noch bei etwa 60 Prozent gelegen. Aber die Preise machen Sorgen...
Die enormen Energiekosten verbunden mit der anhaltenden Unsicherheit der Lage und der Inflation hat Auswirkungen auf die Wirtschaft.
'16 Prozent der Unternehmen stoppen Produktion oder schränken Geschäft ein.' So lautete die Schlagzeile vom Handelsblatt am 5. September 2022. Der Grund: sie können die extrem hohen Energiekosten nicht mehr bewältigen.
Wirtschaftsminister Robert Habeck äußerte sich nach der Kabinettsklausur in Meseberg zu der Situation und nannte die Entwicklung alamierend.
Laut der Financial Times sagte Habeck "einige Unternehmen hätten die Produktion ganz eingestellt“. Dies seien keine guten Nachrichten, denn es könne bedeuten, dass die "betreffenden Industrien nicht nur umstrukturiert werden, sondern einen Bruch erleben – einen Strukturbruch, der unter enormem Druck geschieht“.
Der Gasverbrauch der Industrie lag im Juli um 21 Prozent unter dem Verbrauch des Vorjahresmonats. Das ist, laut dem Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI), ein "dramatischer Produktionsrückgang“ und nicht damit zu erklären, dass effizient gespart wird oder erneuerbare Energien zum Einsatz kommen.
Laut einer Mitteilung des BDI sagte BDI-Präsident Siegfried Russwurm (im Bild): "Das ist kein Erfolg, sondern Ausdruck eines massiven Problems. Die Substanz der Industrie ist bedroht.“
Vor allem kleine und mittelständige Unternehmen sehen mit Sorge in die Zukunft. Die nächsten sechs Monate werden laut dem Deutschen Mittelstands-Bunds (DMB) "von vielen Unternehmen als sehr düster bezeichnet, sodass bereits 10 Prozent der vom DMB befragten Unternehmen von Existenzsorgen geplagt werden“.
In einigen Unternehmen sollen bereits erste Vorbereitungen laufen, um die Produktion ins Ausland zu verlagern, das erfuhr die Berliner Zeitung aus Unternehmerkreisen.
Die Gaskrise hat auch Auswirkungen auf den Euro: Am Montag, den 5.September erreichte er seinen tiefsten Stand seit knapp 20 Jahren.
Nach Ansicht von Holger Schmieding, Chefvolkswirt bei der Berenberg Bank, prägen die hohen Energiepreise, das Risiko einer Gasknappheit und die fiskalische und regulatorische Reaktion darauf die Aussichten für das Wirtschaftswachstum und die Inflation in der Eurozone viel mehr als alles, was die EZB mit ihrer Zinspolitik tun könne.
Der Einbruch der europäischen Aktien in Verbindung mit dem sinkenden Euro spiegele die Wirtschafts- und Energiekrisen wider, mit denen die Eurozone konfrontiert sei, meint Neil Wilson, Marktexperte beim Online-Broker Markets.com.
Auch für die privaten Haushalte sind die Aussichten alles andere als beruhigend. Der Chef der Bundesnetzagentur Klaus Müller sagte gegenüber der Frankfurter Allgemeinen Zeitung: "Ob es im Winter ohne Rationierungen klappt, können wir alle beeinflussen: Es steht und fällt mit dem Verhalten der privaten Haushalte.“